Eigenart der Solothurner Dialekte

Der Kanton Solothurn ist Teil des Mittellands und des Juras, reicht von Grenchen bis Eppenberg-Wöschnau, von Messen bis Bättwil. Wer sich dieses Kantonsgebiet vor Auge führt, erahnt, dass es keinen einheitlichen Solothurner Dialekt gibt. Es existiert nicht einmal ein einziges sprachliches Merkmal, das sich nur auf den Kanton beschränken liesse. Vielmehr sind Merkmale, die Aussenstehende für typisch solothurnisch halten, auch jenseits der Kantonsgrenzen in Baselland, Aargau oder Bern gültig, so beispielsweise die «weiche» Aussprache der harten Verschlusslaute in Duube, Daag, Bappe. Diese Aussprache ist für einen grösseren nordwestschweizerdeutschen Raum typisch. Auch die Dehnung von ursprünglich kurzem a in Gaable oder Faade ist in den Kantonen Baselstadt, Baselland sowie im Aargauer Fricktal verbreitet – nicht aber im Solothurner Niederamt. Und als letztes vermeintlich typisches Merkmal sei auf die geschlossene Aussprache von oo in Froog verwiesen, die ebenfalls in einem grösseren nordwestlichen Raum verbreitet ist – nicht aber im Niederamt und auch nicht im Bucheggberg und Wasseramt.

Dass die Solothurner Mundarten keine Einheit bilden, verdeutlicht auch die folgende Karte, die Dialekträume aufgrund der Ähnlichkeit/Übereinstimmung von 350 sprachlichen Merkmalen aufzeigt. Man sieht auf der Karte schön, dass die Mundarten des Kantons drei Räumen zugeteilt sind: Das Schwarzbubenland bildet mit den Mundarten von Baselland, Baselstadt und dem Aargauer Fricktal eine Einheit, das Niederamt mit dem grössten Teil der Aargauer, Luzerner und Zuger Mundarten, während der restliche Kantonsteil mit den nordbernischen geht.

Cluster-Karte der Deutschschweizer Dialektlandschaft © dialektkarten.ch
Cluster-Karte der Deutschschweizer Dialektlandschaft © dialektkarten.ch

Typisch für die Mundarten des Schwarzbubenlands (Bezirke Dorneck-Thierstein) ist beispielsweise die Aussprache tief und Fliege oder halte, bälle, Schuel, während der restliche Kanton töif und Flöige sowie haute, bäue und Schueu sagt. Auch hat sich die Entrundung teilweise gehalten, z.B. in Wörtern wie grien und Gmies. Im Schwarzbubenland schelt man gekochte Kartoffeln und isst Heidelbeeri, während im restlichen Kanton dafür die Wörter schinde und Höibeeri gelten. Die unbestimmten Artikel sind gleichlautend (e Maa, e Frau, e Chind), während sich ansonsten die neutrale Form unterscheidet (es Chind).

Die Mundarten des Niederamts (Bezirke Olten-Gösgen) grenzen sich dadurch vom restlichen Kanton ab, dass man Hund und gsund sagt, nicht Hung und gsung, und gebrochen ist das Rippi und nicht das Rüpp(i). Die Chile – nicht etwa die Chilche resp. Chiuche – steht im Dorf und bei jener hat es Greber und nicht Greeber. Vor allem im Bezirk Gösgen hört man zudem mir müend, sonst gilt im Rest des Kantons mir müesse. Und schliesslich existiert auch eine einheitliche Pluralform bei miir/diir/sii gönd, stönd, lönd, schlönd, während im restlichen Teil des Kantons nur die erste und dritte Person (wir und sie) identisch sind.

Auch wenn auf der obigen Karte die restlichen Mundarten eine Einheit bilden, ist dies selbstverständlich eine grobe Verallgemeinerung. Natürlich gibt es kleinräumigere Eigenheiten, die den Sprecherinnen und Sprechern bewusst sind, Laute oder Wörter, die hervorstechen und als typisch angesehen werden oder wurden. Je nach Merkmal ergibt sich aber mal diese, mal jene Binnengliederung.

Früher hörte man im Thal und im Gäu olt, Spolt und Wold, diese Lautung ist aber mittlerweile dem verbreiteten alt, Spalt und Wald gewichen. Im Thal, Leberberg und Wasseramt schnijt es und man liest nüji Gschichte, während es andernorts schneit und nöji Gschichte gelesen werden. E Fröu vo Löuperdorf het e gröu-blöue Vöuwee gköuft ist ein Neckspruch, der die typische Lautung von ursprünglichem ou resp. au für das westliche Thal und den unteren Leberberg wiedergibt. In einem grösseren Gebiet, nämlich im westlichen Thal, im Leberberger, Bucheggberg und Wasseramt konjugiert man du geisch, er geit, man trägt schwääre Chääs und eine traditionelle Wedele (ein Reisigbündel), während im restlichen Kanton du gosch, er goot gilt, der Chees schweer ist und man aus Reisig Wälle machte.

Die Mundart des Bucheggbergs ist in diesem südwestlichen Gefüge wieder etwas schärfer abzugrenzen, finden sich nämlich dort viele zusätzliche Berner Eigenheiten: So gibt man sich ein Müntschi, isst Salaat und Chiirschi, auf den Feldern wächst traditionellerweise Gwächs und nach getaner Arbeit legte man sich aufs Ruebett – oder vielleicht auch niit! Im restlichen Kanton gilt Schmutz, Saloot (ausser im Schwarzbubenland), Chiirssi/Chriesi, Frucht, Kanepee und nit!

Dr. Matthias Friedli, Schweizerisches Idiotikon